Erfahrungsbericht aus der Anfangszeit der Montessori-Pädagogik in Stralsund

Schulalltag – Eine Montessori-Lehrerin erzählt über ihre Freiarbeit:

Es ist noch ruhig im Haus. Ich verteile die nachgesehenen Arbeiten.
Sebastian möchte heute ein neues Wortsymbol kennenlernen. Also bereite ich alles für eine Lektion vor. Mir bleibt nicht viel Zeit, einige Handgriffe hier und dort tun, dann ist es 7:15 Uhr. Das Haus öffnet sich für eine muntere Schar.

Karola ist sehr früh da. Gestern hatte sie begonnen, die Fahnen Europas zu malen und ihnen die Hauptstädte und Ländernamen zuzuordnen. Auch Erik steuert zielgerichtet auf das Regal mit dem Mathematikmaterial zu. Er arbeitet mehrere Tage schon mit dem Markenspiel. Sonst sehr lebhaft, kann er während dieser Beschäftigung ganz in sich versinken.

Mehrere Mädchen arbeiten mit Hingabe an den Wortsymbolen. Sie haben sich zusammengesetzt, da es während der Freiarbeit keine feste Sitzordnung gibt. Unschlüssig steht Doreen am Regal für den Sprachbereich. Ich will schon hingehen und ihr etwas anbieten, da entschließt sie sich für den Lern- und Übungskasten. Nun kommt Sebastian und ich kann mit der Lektion beginnen. Wir lernen heute das Symbol für das Numerale kennen. Auf kleine Streifen schreibe ich ihm, wie viele Perlen, Knöpfe, Tiere … er mir aus dem Raum holen soll. Dieses Lernen über die Bewegung ist ein wichtiges Prinzip Montessoris.

Inzwischen hatte es um 7:30 Uhr geklingelt. Das war das Zeichen für den Unterrichtsbeginn. Ich sehe mich um, viele Kinder haben bereits ihre Arbeit gefunden. Andere erinnere ich nun an unsere Regeln: „Wir flüstern“ und „Jeder hat seine Arbeit“.

Christopher und Hagen tragen eben das Erdpuzzle auf den Flur, dort wollen sie am Arbeitstisch die Erdteile nachzeichnen, ausschneiden und auf Kreisflächen richtig anordnen. Doreen hat ihre Arbeit mit dem LÜK-Kasten beendet. Nun liegt vor ihr das kleine Multiplikationsbrett. Ich weiß, dass sie noch nicht damit gearbeitet hat, deshalb bitte ich Ulrike, ihr zu erklären, wie sie die Perlen in die Vertiefung des Brettes legen muss, um das nächste Vielfache der Zahl darzustellen. Ulrike macht das gern, denn sie hat schon lange mit diesem Material gearbeitet. Nach fast 30 Minuten haben einige Kinder ihre Arbeit beendet. Es kommt leichte Unruhe auf, als sie sich etwas Neues suchen. Mein Glöckchen mahnt sie leise.

Viele bedauern es offenkundig, als ich gegen 9:30 Uhr leise Musik einschalte. Das Zeichen zum Aufräumen. Jeder trägt sein Material an den vorgeschriebenen Platz zurück.

G. Utesch
(ehemalige Kollegin der Schule, die als eine der ersten eine Montessori-Klasse führte)